
Kreativitätstechniken – Teil 2: Beispiele für Brainstorming, Mindmapping und Clustering
Im ersten Teil dieser Reihe haben wir sechs Kreativitätstechniken theoretisch vorgestellt. Nun gehen wir einen Schritt weiter und setzen die ersten drei – Brainstorming, Mindmapping und Clustering – in der Praxis um. Anhand konkreter Szenarien wird deutlich, wie diese Methoden funktionieren und warum sie so wirkungsvoll sind.
1. Brainstorming – Ideenregen in Reinform
Szenario:
Eine Autorin möchte eine Kurzgeschichte schreiben, hat aber noch keine konkrete Idee. Das einzige feststehende Element: Die Geschichte soll im Winter spielen.
Durchführung:
Sie setzt sich ein Zeitlimit von 10 Minuten, öffnet ein leeres Dokument und schreibt ungefiltert alles auf, was ihr zum Thema „Winter“ einfällt:
Schnee, Kälte, Kaminfeuer, Stille, Fußspuren, verlorener Handschuh, Schneesturm, eingefrorener See, rote Wollmütze, Glühwein, Kerzenlicht, ungerufener Gast, Eiszapfen, Schlittenfahrt, Nordlicht, knirschender Schnee, Stromausfall, Wolfsspuren, eingeschneites Dorf.
Nach Ablauf der Zeit markiert sie Begriffe, die ihr ins Auge springen. „Verlorener Handschuh“, „eingeschneites Dorf“ und „ungerufener Gast“ wecken sofort Ideen für eine spannende Handlung.
Analyse:
Brainstorming funktioniert hier so gut, weil es den inneren Zensor ausschaltet. Statt lange nach „perfekten“ Ideen zu suchen, werden Gedanken ungefiltert auf Papier gebracht. Erst in der Auswertungsphase trennt man Nützliches von Unbrauchbarem. Diese Mischung aus Tempo und Spontaneität fördert Assoziationen, die im langsamen Denken vielleicht nicht entstanden wären.
2. Mindmapping – Komplexe Themen sichtbar machen
Szenario:
Ein Blogger plant eine Artikelserie zum Thema „Kreatives Schreiben“. Er will die Inhalte strukturieren, bevor er mit dem Schreiben beginnt.
Durchführung:
Er schreibt „Kreatives Schreiben“ in die Mitte eines großen Blattes. Von dort aus entstehen Hauptäste wie „Ideenfindung“, „Schreibtechniken“, „Überarbeitung“ und „Veröffentlichung“.
Von „Ideenfindung“ verzweigen sich Unterthemen wie „Kreativitätstechniken“, „Recherche“ und „Alltag als Inspirationsquelle“. Unter „Schreibtechniken“ tauchen Punkte wie „Dialoggestaltung“, „Perspektive“ und „Spannungsaufbau“ auf. So wächst das Mindmap in wenigen Minuten zu einem visuell klaren Gerüst heran.
Analyse:
Mindmapping ist so wirksam, weil es lineares Denken aufbricht und Inhalte visuell verknüpft. Während eine Liste nur Abfolge zeigt, legt ein Mindmap Beziehungen zwischen Themen offen. Es ist flexibel – neue Äste lassen sich jederzeit ergänzen – und gibt schnell einen Überblick über den Umfang eines Projekts. Besonders bei komplexen Vorhaben hilft die Methode, nichts Wichtiges zu übersehen.
3. Clustering – Assoziationen ohne Filter
Szenario:
Eine Schreibgruppe sucht nach einer Idee für ein gemeinsames Gedichtprojekt. Als Ausgangspunkt dient das Wort „Wasser“.
Durchführung:
Das Wort „Wasser“ wird in die Mitte eines Blattes geschrieben. Spontan notieren die Teilnehmenden Begriffe, die ihnen dazu einfallen: „Meer“, „Regen“, „Tränen“, „Fluss“, „Durst“, „Spiegelung“, „Flut“, „Tropfen“, „Ebbe“, „Sturm“.
Von „Meer“ geht es weiter zu „Muscheln“, „Schiff“, „Leuchtturm“. Von „Tränen“ zu „Abschied“, „Freude“, „Erleichterung“. Von „Spiegelung“ zu „Selbstbild“, „Illusion“, „Zerrbild“. Das Blatt füllt sich in alle Richtungen mit frei assoziierten Begriffen.
Am Ende verbinden die Teilnehmenden die interessantesten Cluster zu einer poetischen Bildfolge für ihr Projekt.
Analyse:
Clustering entfaltet seine Stärke, weil es gezielt mit der assoziativen Arbeitsweise des Gehirns arbeitet. Ohne hierarchische Ordnung und ohne vorgegebene Richtung entstehen überraschende Wort- und Themenketten. Diese „unlogische Logik“ kann besonders im künstlerischen Bereich zu einzigartigen Ideen führen, die aus streng linearem Denken nicht hervorgegangen wären.
Fazit
Alle drei Techniken setzen auf unterschiedliche Arten von Kreativität:
- Brainstorming fördert Quantität und schnelle Ideenproduktion.
- Mindmapping bringt Struktur in komplexe Inhalte und macht Verbindungen sichtbar.
- Clustering lässt unvorhersehbare, oft poetische Verknüpfungen entstehen.
In der Praxis lohnt es sich, die Methoden je nach Ziel zu kombinieren – beispielsweise zuerst Brainstorming für die Ideenfülle, dann Mindmapping für die Struktur, und Clustering, um einzelne Aspekte poetisch oder kreativ zu vertiefen.